Wie etabliert man ein Machtgefälle im Alltag?

Viele BDSM-Paare wünschen sich, das Machtgefälle nicht nur in den Sessions zu haben, sondern auch in den Alltag zu integrieren. Oft stoßen sie dabei auf Schwierigkeiten. Hier gebe ich euch eine kleine Einführung, was meiner Ansicht nach wichtig ist, wenn man ein permanentes Machtgefälle leben möchte.

! Bedenkt bitte, wie immer, dass dies nur meine persönliche Ansicht ist, die auf meinen Erfahrungen und Gefühlen basiert. Wenn sich der Text für euch falsch anfühlt, dann traut da bitte eurem Gefühl !

Eine Frage der Einstellung

Für mich beginnt ein Machtgefälle erst mal im Kopf, in einer emotionalen Einstellung, in der inneren Haltung dem Partner gegenüber.

24/7 bedeutet, dass Dom grundsätzlich das Sagen hat. So wie ein Chef im Job oder Erziehungsberechtigte gegenüber ihrer minderjährigen (Pflege-)Kinder. Das wird von den Angestellten bzw. Kindern niemals infrage gestellt. Es ist einfach eine Gegebenheit, die als Fakt empfunden wird, an der es nichts zu rütteln gibt, Punkt. 

Sub stellt Dom über sich, auf ein Podest und gibt ihm damit die Macht, die Führung zu übernehmen.

Deswegen funktioniert Permanentes Machtgefälle erstmal auch komplett ohne Regeln und Rituale. Der Kern liegt vielmehr darin, dass sich Sub nach Dom richten will und Dom auch die Führung in der Beziehung übernehmen möchte.

An der Stelle gehe ich mal davon aus, dass Dom nicht versucht, über Bereiche bestimmt, die explizit ausgeklammert wurden oder dass Dom Grenzen überschreitet. Wenn Sub im Alltag ständig das Safeword sagen muss oder heftig diskutieren muss, dass sie etwas (noch) nicht möchte, ist das nicht gerade fördernd.

Machtgefälle durch äußere Rahmenbedingungen stärken

Regeln und Rituale ergeben sich dann aus den Gefühlen, Wünschen und Bedürfnissen. Sie verstärken das Machtgefälle sicherlich und geben natürlich auch Sicherheit. Wenn man aber Regeln und Rituale etabliert, weil man sich dadurch erhofft, ein 24/7 aufzubauen, kann sich das schnell aufgesetzt anfühlen.

Regeln und Rituale sind immer nur ein Gerüst, aber nicht die Basis. Erst muss die Basis stimmen, die innere Einstellung. Dann könnt ihr auch ein Gerüst darauf bauen. Wichtig ist aber auch, dass ihr das Gerüst nicht so baut, wie ihr denkt, dass es sein müsse. Baut es so, wie es sich für euch gut und richtig anfühlt.

Die richtigen Regeln und Rituale finden

Es gibt viele Regeln und Rituale, die in 24/7-Beziehungen typisch sind. Natürlich verleitet es dazu, diese zu übernehmen. Immerhin scheinen die auch für viele andere zu funktionieren. Und irgendwie ist die Vorstellung vielleicht auch sehr nett. Das heißt aber nicht, dass diese euch wirklich entsprechen. Die Regeln und Rituale anderer Paare können euch natürlich als Inspiration dienen. Macht aber bitte nicht einfach nur nach, ohne zu reflektieren.

Wenn man sie nur übernimmt, wirken sie, wie geschrieben, schnell aufgesetzt. Sie werden anstrengend, man wird nachlässig, der Alltag holt einen ein und das war’s dann.

Sucht euch Regeln und Rituale, die ihr wirklich wollt. Die mehr Sinn haben als nur das Machtgefälle zu stärken.

Ich erkläre das mal am Beispiel Kleiderordnung.

Frage dich als Sub:

– Möchte ich mich daran halten, weil ich mir eine 24/7-Beziehung wünsche und Regeln dabei helfen sollen? (-> Machtgefälle steht im Fokus)

– Oder spüre ich, dass meinem Dom wichtig ist, was ich trage und möchte ich ihn deswegen mit meiner Kleiderwahl glücklich machen? (-> Eure Wünsche stehen im Fokus)

Und als Dom frage dich: 

– Habe ich diese Regel aufgestellt, weil ich mir eine 24/7-Beziehung wünsche und diese Regel so schön demonstriert, wer hier das Sagen hat?  (-> Machtgefälle steht im Fokus)

– Oder lege ich wirklich Wert darauf, was meine Freundin trägt? Manche Dinge gefallen mir nicht, ich möchte aber, dass sie immer das Beste aus sich macht? (-> Eure Wünsche stehen im Fokus)

Wenn Dom etwas wirklich wichtig ist und Sub das auch spürt (z.B. indem Dom immer wieder kontrolliert, nachfrägt oder es anderweitig vermittelt), bekommen Regeln gleich eine ganz andere Qualität. Es geht plötzlich nicht mehr nur darum, das Dom vielleicht sauer ist. Es geht plötzlich auch darum, ggf. einen anderen Menschen, den geliebten Partner, zu enttäuschen.

(Selbst-)Disziplin

Aber auch wenn ihr alles richtig macht, ihr im Kopf längst ein festes Machtgefälle habt und eure Regeln euch aus tiefster Seele entsprechen…. auch dann kommt ihr vermutlich an einen Punkt, an dem es hakt und ihr euch zu manchen Dingen regelmäßig durchringen müsst. 

Auch bei mir schlich sich gelegentlich sich ein destruktiver Gedanke ein wie „Ach wenn du es einmal nicht machst, merkt er es ja nicht.“ Da habe ich mir ganz bewusst vor Augen geführt, dass ich das alles (24/7) doch eigentlich unbedingt möchte. 

Niemand hat behauptet, dass es einfach wird, eine Machtgefälle aufzubauen oder dass es immer nur schön ist. Sich neue Gewohnheiten und Routinen anzueignen, ist eigentlich niemals leicht. Irgendwann kommt der Punkt, an dem es ätzend wird. Den gilt es zu überwinden. Dann wird es irgendwann Gewohnheit und dadurch automatisch. Man sagt, dass es so 3-4 Wochen dauert, bis man eine neue Routine etabliert hat. Wenn du also merkst, dass etwas anstrengend wird und die anfängliche Euphorie zu Unlust geworden ist, beiße dich vielleicht erst einmal durch. Wenn du eine Regel immer wieder vergisst, überleg dir Strategien, dich zu erinnern.

Geduld und Gespräche

Und zu guter Letzt der wohl wichtigste Punkt: Ein Machtgefälle wird in der Regel nicht von heute auf morgen aufgebaut. Es gibt da keinen Schalter, der die Dynamik von heute auf morgen von Vanilla auf 24/7 wechselt. Direkt von 0 auf 100 zu gehen, geht meistens schief.

Dafür redet aber häufig miteinander.

  • Wo sind Probleme?
  • Fühlt sich Sub vielleicht überfordert?
  • Sind es vielleicht zu viele Regeln für den Einstieg?
  • Oder spürt Sub die Grenzen nicht genug?
  • Muss Dom vielleicht mehr erklären, wieso etwas wichtig ist?
  • Vielleicht auch konsequenter sein und öfter strafen?
  • Oder weniger strafen? Anders strafen? Gar nicht strafen?
  • Vielleicht lieber mehr loben und belohnen?
  • Hat womöglich nur einer seinen Blick auf den Partner so geändert, dass es sich nach Machtgefälle anfühlt, während der andere sich noch komplett auf Augenhöhe fühlt?
  • und so weiter …

Setzt euch also bitte auch nicht unter Druck. Es dauert gut und gerne einige Monate, bis man die Beziuehungsdynamik geändert hat.

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