Der Wunsch, vergewaltigt zu werden

Viele Frauen stellen sich gerne vor, einmal vergewaltigt zu werden. Wobei sie gleichzeitig natürlich nicht vergewaltigt werden wollen und sich diesen Wunsch auch nicht erklären können. Dabei ist dieser gar nicht mal selten und wird auf unterschiedliche Weisen auch ausgelebt.

Kaum eine Fantasie ist so verbreitet und gleichzeitig so mit Scham behaftet, wie die, vergewaltigt zu werden. Manche Studien sprechen davon, dass rund 50% aller Frauen solches Kopfkino haben. Natürlich haben auch einige Männer solche Vorstellungen. Nicht jede(r) möchte es ausleben, aber doch einige.

Da drängt sich natürlich schnell die Frage auf: Woher kommen solche Fantasien? Wie kann man sich so etwas freiwillig wünschen? Und wie respektlos ist das gegenüber echten Vergewaltigungs-Opfern?

Da gibt es grundlegend zwei Aspekte. Zum einen die Fantasie als solche. Und zum anderen die Art und Weise, es auszuleben.

Kopfkino

Das aller wichtigste hierbei ist: Für eine Fantasie muss sich niemand schämen. Grundsätzlich, ganz egal, um was es geht. Es ist nur ein Film, der im eigenen Kopf abläuft. Dabei kommt niemand zu Schaden. Jedenfalls, solange es nur Kopfkino bleibt.

Darüber hinaus bleibt man selbst immer der Regisseur des eigenen Films. Auch wenn man sich selbst in die Rolle des Opfers denkt, so passiert nichts, was man wirklich unangenehm findet. Sobald es nicht mehr gefällt, denkt man sich die Handlung wieder in eine angenehme Richtung. Ein Opfer einer echten Vergewaltigung hat diese Möglichkeit nicht.

Rollenspiele sind nicht real

Wenn es darum geht, so eine Fantasie in die Tat umzusetzen, fangen viele Selbstzweifel erst richtig an. Eigentlich ist das aber überhaupt nicht nötig. Denn es gibt einen ganz elementaren und grundsätzlichen Unterschied zu einer echten Vergewaltigung: Die Freiwilligkeit.

Ein reales Opfer hat sich nicht ausgesucht, dass es in diese Lage kommt. Es hatte kein Mitspracherecht. Niemanden, der aufpasst. Es wurden reale Grenzen überschritten. Und das Opfer hatte absolut keine Kontrolle mehr,

Sexuelle Spielarten, in denen man eine Vergewaltigung „inszeniert“, laufen da komplett anders. Das gespielte Opfer möchte dies. Im Normalfall wird abgesprochen, was geht und was nicht geht. Die realen Grenzen erden respektiert. Je nach Spielart hat das „Opfer“ auch ein Safeword, mit dem es die ganze Handlung abbrechen kann. Wenn es das nicht hat, kennen sich beide Beteiligten aber normalerweise sehr gut. Der „Täter“ kann abschätzen, wann es zu viel wird und schaltet dann von sich aus einen Ganz runter.

Möglichkeiten, es auszuleben

Ob und wie man solche Fantasien in die Tat umsetzt, ist ganz individuell. Manche spielen ein ganz klassisches Rollenspiel in den eigenen vier Wänden. Beide schlüpfen in andere Rollen und tun eben so, als ob. Auch der Widerstand des Opfers ist ggf. nur Teil der Rolle und alles andere als echt.

Andere setzen ihren Fokus mehr auf das Gefühl des Ausgeliefertseins. Das erreicht man auch, indem man bspw. gefesselt wird. Oder man muss die Befehle des Gegenübers ausführen. Vielleicht auch ein wenig ihm zuliebe aushalten. Solche Praktiken sind im BDSM ganz normal, kann man aber natürlich auch machen, wenn man mit BDSM sonst nicht viel zu tun hat. Mit einer Vergewaltigung hat das natürlich herzlich wenig zu tun. Es werden aber genau die ersehnten Gefühle ausgelöst.

Eine eigene Spielart ist das sogenannte RapePlay. Das kann teilweise recht extrem werden und kann auch inszenierte Entführung und mehrere „Vergewaltiger“ beinhalten. Es geht oft darum, Grenzen zu überschreiten und dem Gefühl, absolut ausgeliefert zu sein. Solche „Spiele“ gehen aber nur dann, wenn sich das Paar sehr gut kennt. Der dominante Part muss den devoten sehr gut kennen und rechtzeitig einschätzen können, wann die Stimmung kippt und dann gegenzulenken, um dem Partner keine ernsthaften Schäden zuzufügen. Und der devote Part muss darauf vertrauen können, dass der dominante immer aufpasst.

6 Kommentare zu „Der Wunsch, vergewaltigt zu werden

  1. Dazu kann ich – bzw. eher Jonathan Haidt – noch einen interessanten Aspekt beitragen: In seinem sehr sehenswerten Vortrag über die moralischen Wurzeln von Linksliberalen und Konservativen (https://www.youtube.com/watch?v=vs41JrnGaxc) erläutert er verständlich, wieso Reinheit eines der Fundamente unserer Moral ist.

    Besonders von religiös-konservativen Personen wird dieser Wert hochgehalten und häufig im Kontext von Jungfräulichkeit, Keuschheit und als Ablehnung von LGBTQ (und BDSM) interpretiert. Damit einhergehend werden tendenziell auch Autorität (Unterordnung, Pflicht) und Loyalität zur eigenen Gruppe höher als die freie Selbstentfaltung geschätzt.

    Soweit Jonathan Haidts Vortrag. Wenn man diese enge Vergesellschaftung aus sexueller Reinheit, Gruppendenken und Autorität verinnerlicht hat, ist es leicht nachvollziehbar, warum sexuelle Gewalt in allen Kriegen systematisch gegen den Gegner eingesetzt wurde und wird.

    Daraus lässt sich aber auch ableiten, was den Reiz des Rape Plays ausmachen kann: Man kann es als revolutionäre Auflehnung gegen eine konservativere, gesellschaftliche Ordnung interpretieren.

    Die 68er bzw. Flower Power Bewegung ist dafür ein gutes Beispiel. Nicht zufällig war mit dem Antiautoritären auch eine Zeit starker sexueller Umbrüche verbunden: In den Kommunen wurde freie Liebe gelebt, die Emanzipationsbewegung nahm neue Fahrt auf, Abtreibungen wurden möglich, Homosexualität aus dem Strafgesetzbuch gestrichen usw. – weil Reinheit im Bezug auf Sexualität an moralischer Bedeutung verlor.

    Beim Rape Play wird diese Missachtung der gesellschaftlichen Ordnung ebenfalls praktiziert, gleichzeitig ermöglicht die Opferrolle die*der devote Partner*in dem normalerweise mit einer solchen Auflehnung verbundenen moralischen Konflikt aus dem Weg zu gehen, weil die Grenzüberschreitung in der Spielsituation ja nicht freiwillig erfolgt ist. Die*der dominante Partner*in ihrer*seinerseits kann hedonistisch sexuelle Befriedigung anstreben, wie es straffrei nur in einer komplett anarchischen Situation vorstellbar wäre.

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  2. Auch ich danke dir für deine Offenheit über ein solches Tabuthema zu schreiben. Als masochistisch-devoter Mann kenne ich solche Fantasien auch, wie es wohl wäre, von einer Frau mal zum Sex gezwungen zu werden, gerne auch mit körperlichem Zwang.

    Unter Männern sind solche Fantasien sicher ein noch viel höher tabuisiertes Thema als unter Frauen, könnte ich mir vorstellen. Bei Frauen wird ja mitunter versucht, solche Vergewaltigungsfantasien evolutionsbiologisch zu erklären, z. B. als kollektives Massentrauma aus der Frühzeit, das auf diese Weise verarbeitet wird.

    Bei Männern (die ja immer stark sein und alles im Griff haben sollen) gibt es dagegen keine evolutionsbiologische oder sonstige Begründung für solche Wünsche, die für Außenstehende nachvollziehbar wäre. Im Gegenteil: Ein Mann, der sich von einer Frau vergewaltigen lässt (und das auch noch freiwillig), konterkariert damit ja so ziemlich alle Männlichkeitsstereotypen, die es überhaupt gibt.

    Kann mir auch schwer vorstellen, dass es Frauen gibt, die an solchen Spielen in der aktiven Rolle überhaupt Gefallen finden. Auch das ist aber nur eine Vermutung von mir, denn ich habe über dieses Thema noch so gut wie nie mit irgendwem gesprochen.

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    1. Hallo Adrian,
      ganz herzlichen Dank für deinen Komentar! Du schreibst da etwas sehr wichtiges. Natürlich haben auch Männer solche Fantasien. Wie viele das sind, weiß ich allerdings nicht. Aber umso wengier es sind, umso mehr wird es natürlich zu einem Tabu – leider.

      An solche Dinge wie ein kollektives Massentrauma glaube ich nicht. Ich denke, hinter solchen Fantasien stecken ganz andere Gründe – wie z.B. der Wunsch, absolut begehrt zu werden oder Macht und Kontrolle total abzugeben. Solche Wünsche stehen einem Mann ganz genauso zu.

      Gerade in einer Kultur, in der die Männer „immer stark sein und alles im Griff haben sollen“, finde ich es nur verständlich, wenn einige – Männer und Frauen – feststellen, dass diese starre Vorgaben nicht für sie sind und genau das andere Extrem (er)leben wollen. Menschen sind zu unterschiedlich, als dass bestimmte Wünsche und Bedürfnisse nur einem Geschlecht zustehen würden.

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