Bin ich (genug) Little?

Wenn man einen neuen Begriff entdeckt, stellt man sich schnell die Fragen, ob dieser zu einem passt und wie sehr man sich darin wiederfindet. Doch oft traut man sich auch nicht, einen Begriff für sich zu verwenden, weil man denkt, man passe da nicht so ganz rein. Mir ging es beim Wort „Little“ damals so. Eigentlich ziemlicher Quatsch.

Als ich von ein paar Jahren auf eine Beschreibung über Littles und Caregiver stieß, habe ich mich sofort darin wiedererkannt. Es war, als würden sie mich und meine innersten Sehnsüchte beschreiben. Es war teilweise so treffend, dass es fast gruselig war. Ich habe die nächsten Tage damit verbracht, das ganze Internet nach diesem Thema zu durchforstet und alles aufgesaugt, was ich gefunden habe.

Endlich hatte ich etwas gefunden, das zu mir passt. Endlich hatte ich ein Etikett, mit dem ich mich wohl fühle. Endlich hat alles in meinem Leben irgendwie Sinn gemacht. Doch es machten sich auch sofort Zweifel breit. Darf ich mich überhaupt so nennen? Würden andere Littles auch sagen, dass ich ein Little bin? Wann darf man sich überhaupt so nennen? Und eigentlich, je mehr ich darüber nachdenke, umso weniger passt es irgendwie doch. Disney ist zwar nett, aber begeistert mich nicht. Glitzer konnte ich noch nie wirklich leiden. Und überhaupt bin ich im Alltag nicht ausgelassen genug, sondern oft eher bedrückt und zurückhaltend.

Heute weiß ich, dass diese Gedanken zwar normal, aber eigentlich totaler Käse sind. Kein Mensch ist in der Lage, mir ein Etikett zu geben außer ich selbst. Nur ich kann entscheiden, ob ich mich in diesem Wort wiederfinde oder nicht.

Es geht bei einem Little nicht darum, klein und süß und zierlich zu sein. Es geht nicht um sexyness oder totale Unschuld. Es geht weder um Lollis und Zöpfchen, noch um Rosa, Disney, Glitzer oder Einhörner. Es geht auch nicht um Windeln, Schnuller oder Schulmädchen-Uniform. Es geht auch nicht darum, immer ausgelassen rumgluckst und tobt. Und es geht auch überhaupt nicht darum, genau zu wissen, was man genau mag; ob Sex im Little Space für einen OK ist, wie viele Strafen man verträgt, ob du auf BDSM stehst oder es ablehnst, welche kindlichen Aktivitäten man besonders mag oder ob man überhaupt einen Little Space hat. Das ist eigentlich alles erst mal total irrelevant.

Es geht darum, dass man eine kindliche Seite in sich trägt. Und wie die aussieht, ist so unterschiedlich, wie die Menschen selbst. Du musst etwas nicht mögen, nur weil es scheinbar „alle anderen“ mögen. Du musst nicht so und so sein. Sondern es geht darum, du selbst zu sein.

Warte nicht darauf, dass andere dir ein „OK“ dafür geben. Trau dich. Wenn du dich als Little fühlst, dann bist du eins. Punkt. Wenn du das Gefühl hast, dass eine Beschreibung auf dich zutrifft und wenn du dir tief in deinem Herzen wünschst, dich so zu nennen, dann kann das doch auch gar nicht so verkehrt sein.

5 Kommentare zu „Bin ich (genug) Little?

  1. Hallo zusammen :3

    Ich bin auf diesen Blog gestoßen, weil ich in einigen Fanfictions oft vom „Daddykink“ gelesen habe und neugierig geworden bin, ob das tatsächlich ein „Ding“ ist. Und irgendwie hat mich die Vorstellung eines Daddys, der sich liebevoll um mich kümmert, mich so nimmt, wie ich bin, aber auch mal ne strenge Hand zeigt, durchaus fasziniert.
    Und nun bin ich hier, hab mich fast durch alle Artikel gelesen. Und dieser Artikel, ob ich „Little genug“ bin, hat mich wirklich umgehauen.

    Tatsächlich würde ich mich wohl als Little bezeichnen, wenngleich auch nicht, wie viele andere Littles. Ich glaube nicht, dass ich tatsächlich eine Regression durchlebe, aber emotional gesehen befinde ich mich häufig noch in einem Alter zwischen 12 – 16 (liegt aber auch teilweise an meinen Erfahrungen und meiner psychischen Erkrankung). Man könnte durchaus sagen, ich erlebe emotional eine 2. Pubertät, lerne Dinge wie „Liebe“ und „Beziehungen“ und „Freundschaft“ gerade richtig kennen. Wenn es mir schlecht geht oder ich mich in einem Umfeld richtig wohl fühle, werde ich kuschelbedürftig, suche nach Nähe, Zuneigung und (harmloser) Aufmerksamkeit. Zwar lebe ich ein (für meine Situation) „normales Erwachsenenleben“, finde diese Welt aber sehr kompliziert. Trotz meines Alters fühle ich mich dieser Welt selten zugehörig, verstehe „normale“ Erwachsene oft nicht.
    Ich glaube, dieser Blog hat mir wirklich geholfen, einiges über mich selbst besser verstehen zu lernen.

    Vielleicht finde ich ja eines Tages einen passenden Partner, der mir genau das gibt, was ich brauche und dem ich dafür meine ganze Liebe und Aufmerksamkeit schenken kann. ❤

    Danke, dass es euch alle gibt! Ihr seid so wertvoll und wundervoll! ❤ Ich wünsche euch nur das Beste im Leben!

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  2. Okay alles klar, ich war erst erschreckt… gibt ja auch Youtuber die NIE auf Kommentare eingehen, was ich sehr schade finde, vorallem bei einem solchen Thema wo man natürlich als Neuling mit einem GROßEM Fragezeichen dasteht 🙂

    Hatte schon befürchtet, das hier wohl niemand die Kommenatre liest 😉

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  3. Bin hier gelandet und…
    „Als ich von ein paar Jahren auf eine Beschreibung über Littles und Caregiver stieß, habe ich mich sofort darin wiedererkannt. Es war, als würden sie mich und meine innersten Sehnsüchte beschreiben. Es war teilweise so treffend, dass es fast gruselig war. Ich habe die nächsten Tage damit verbracht, das ganze Internet nach diesem Thema zu durchforstet und alles aufgesaugt, was ich gefunden habe.“

    Genau SO geht es mir jetzt, ich werde wohl einiges aufsaugen 😀

    @Thias, schön geschrieben und… ich bin überrascht, dass da KEIN Kommentar von der Bloggerin kam, keinerlei Stellung zu deinem Kommentar, keine Reaktion 😦

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    1. Ich kann jetzt leider nicht zu allem etwas schreiben 🙈 Freue mich aber natürlich immer über konstruktive Kommentare! ❤

      Thias' Beitrag habe ich einfach so stehen lassen, weil er für sich alleine spricht und ich ihn als schöne Ergänzung zu meinem Beitrag sehe. :3

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  4. Vielen Dank, dass du uns an deinen Gedanken so offen teilhaben lässt. Prinzipiell mag ich deinen inklusiven Ansatz sehr, denn wie du möchte auch ich niemanden ausgrenzen oder vor den Kopf stoßen.

    Nachdem das gesagt ist, gibt es aber einen Aspekt, der mir bei deiner Antwort zu kurz kommt: Warum sollte sich jemand überhaupt diese Frage stellen und ein Little sein wollen? Also was verändert sich im Leben, wenn man denn nun feststellt, dass der Begriff „Little“ genau die innersten Sehnsüchte beschreibt?

    Ich glaube, die Antwort darauf ist die Identifikation mit einer Gruppe. Wir Menschen sind soziale Wesen und lieben es, uns in Gruppen zusammenzuschließen und schätzen das Gefühl einer Gruppe zugehörig zu sein – in dem Fall eben mit der Gruppe der Littles. Auch wenn das erst mal nur ein virtueller und selbsterklärter Beitritt ist, dann gibt einem das Etikett Little auch den Anschluss an eine Gruppe von Menschen, die ähnlich empfindet und denkt wie man selbst.

    Ganz allgemein für alle Gruppen gilt jedoch, dass es einigende und trennende Kräfte gibt. Ein Konflikt mit einer anderen Gruppe lässt eine Gruppe zusammen rücken (weshalb Despoten immer andere Länder überfallen müssen, wenn es im eigenen Land zu viele Probleme gibt), während die Erfahrung von Andersartigkeit den Gruppenzusammenhalt schwächt (zum Beispiel wenn man selbst auf BDSM steht und es jemand anders vehement ablehnt).

    Zu sagen, dass jede*r Little sein kann, solange eine kindliche Seite vorhanden ist, ist eine wunderbare inklusive Einstellung und eine liebenswürdige Einladung an alle, die noch in der Findungsphase sind. Irgendwann kommt aber der Punkt, an dem man für sich selbst Klarheit darüber hat, was geht und was gefällt. Dann sind es eben genau solche vermeintlichen Nebensächlichkeiten wie Glitzer, Strampler oder Windeln, die uns ein Gefühl von Zusammenhalt geben oder eine Entfremdung mit der Gruppe bewirken. Das alles sind gewissermaßen Gruppenrituale, so wie Fußballfans das gemeinsame Pilgern ins Stadion mit Kleidung in den Clubfarben zelebrieren und dabei ihren Zusammenhalt festigen.

    Ich würde sagen, dass sich die Szene durch die starke Ablehnung von außen schon als eine Einheit begreift und insgesamt sehr tolerant ist. Trotzdem lassen sich unterschiedliche Auffassungen an inneren Konflikten wie beispielsweise der Abgrenzung von ABDL zu CG/L festmachen. Teilt man das Bedürfnis zu bestimmten Ritualen nicht, dann kommt man leicht an den Punkt, sich zu fragen, ob man eigentlich genug Little ist.

    In meinen Augen ist die Frage also nicht: „Bin ich ein Little?“ sondern besser „Möchte ich zu einer Little-Gruppe gehören und wenn ja zu welcher?“. Schön, dass du solchen Menschen mit deinem liebenswürdigen Blog dabei Orientierung gibst!

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